Höfer: Meinungsführer Denker Visionäre
Von Edwin Baumgartner
Wer macht in Deutschland die Meinung? Der Wirtschafts-wissenschafter, Politologe und Publizist Max A. Höfer geht der Frage nach und porträtiert in seinem Buch "Meinungsführer Denker Visionäre" 60 Personen, die in Deutschland das Denken wesentlich beeinflussen.
Wie kommt Höfer zu seiner Auswahl? In der Einleitung nennt er die Kriterien: Der Kandidat muss eine wichtige öffentliche Debatte ausgelöst oder mitbestimmt haben. Weiters muss der Kandidat eine prominente Rolle in den Qualitäts-Printmedien spielen. Und er muss in den elektronischen Medien, etwa im Fernsehen, in einem Umfang präsent sein.
Die so ermittelten Top-200, die, wie gesagt, nur für Deutschland gelten, kommen für den österreichischen Leser zum Teil überraschend, zum Teil dürfte die Liste, so aktuell sie zum Zeitpunkt ihrer Erstellung war, mittlerweile etwas überholt sein. Denn dass es weder die CDU-Chefin und Kanzleranwärterin Angela Merkel noch der CSU-Chef und Bayerische Ministerpräsident Rudolf Stoiber unter die 200 schaffen, jedoch der Theologe und Bürgerrechtler Richard Schröder immerhin auf Platz 57 liegt, mag für Deutschland stimmen. Aus österreichischer Sicht ist es nicht nachvollziehbar.
Hingegen nimmt man gerne zur Kenntnis, dass "unsere" Künstler vorne mit dabei sind: Peter Handke (Platz 9), Elfriede Jelinek (Platz 15), André Heller (Platz 55). Platz 1 belegt übrigens auch ein Autor, freilich ein deutscher: Günter Grass.
Aber die Reihung ist ohnedies nur der Wettkampf vor dem Festmahl. Als solches erweisen sich die 60 Kurzporträts. Wobei Höfer nicht einfach Biografisches referiert. Trocken ist der Text nie. Eher schon etwas boshaft. Joschka Fischer und Daniel Cohn-Bendit als wendige Spieler, die jederzeit politische Überzeugungen modifizieren, wenn es ihren Machtansprüchen dient das liest sich ebenso spannend wie das ironische Porträt des Literatur-Kritikers Marcel Reich-Ranicki oder das von distanzierter Hochachtung getragene der Feministin Alice Schwarzer.
Dass Höfer durchaus subjektiv vorgeht, macht freilich nicht immer nur einen Lesegenuss aus. Teilweise sorgt es für Befremden: Dirigent Daniel Barenboim etwa wirkt als Lichtgestalt der Musikwelt wenig glaubwürdig angesichts der von Höfer verschwiegenen Jacqueline-DuPré-Affäre und der ebenfalls nicht ins Treffen geführten extremen Gagenforderungen (wie Norman Lebrecht in "Mythos des Maestro" darlegt). Und bei dem verbal sehr präsenten Komponisten Karlheinz Stockhausen klammert Höfer dessen absurde Selbstvergötzung aus, durch die Stockhausen die Musikwelt gegen sich aufgebracht hat.
Aber wer weiß vielleicht steckt ja auch eine Taktik Höfers dahinter. Sollte er nicht nur Meinungsführer porträtieren sondern am Ende selbst ein Meinungsmacher sein?
Max A. Höfer: "Meinungsführer Denker Visionäre",
Eichborn, Frankfurt/Main 2005; 367 Seiten, 22.90 Euro
Samstag, 04. Juni 2005
|