Der
Pontifex in der Brauereigaststätte
Was mich mit Benedikt XVI. verbindet/ Von Eckhard Henscheid
Die kürzliche Wahl dessen, der bis Dienstag 18.45 Uhr
noch halbwegs herkömmlich Joseph Kardinal Ratzinger hieß,
zum neuen Papst Benedikt XVI. sie berührt mich
gewissermaßen recht angenehm, denn ich hatte beruflich
und vor allem in den letzten Jahren und zumal Wochen so vielfach,
wenn auch verschwiegen aus dem Hintergrund, mit ihm, Ratzinger,
zu tun, als hätte ich es irgendwie vorausgeahnt.
Schon 1977/78 tummelte sich der damals gerade von Paul VI.
neu als Erzbischof von München-Freising installierte
Newcomer-Theologe Joseph Ratzinger quasi als Nebenfigur in
einem Roman von mir. Ja, er tangierte sogar indirekt dessen
Titel Die Mätresse des Bischofs (auch wenn
dieser seltsamerweise auf einen Roman Lamante
del cardinale des frühen Mussolini rekurriert).
Andererseits schrieb ich auch vor drei Jahren aus- und eindrücklich
über ihn bzw. über die höchst sonderbare, ominöse
Beobachtung, wie viele Welt-Führerpersönlichkeiten
doch von den recht wenigen Quadratkilometern Inntal zwischen
Passau und Rott am Inn herrühren, dort geboren oder doch
schwer wirksam geworden sind: von Franz Josef Strauß
und dem Bäderkönig Zwick und leider auch dem Braunauer
Führer bis zum Heiligen Bruder Konrad und eben auch dem
neuen Papst, dem in Marktl bei Altötting gebürtigen
damaligen Kurienkardinal Ratzinger, dem römischen Glaubenskongregationschef,
dem seinerseits zweiten Mann hinter Wojtyla, dem damals als
papabile viel genannten möglichen Nachfolger
des Nachfolgers Christi.
Und dritterseits hatte ich drei Tage nach dem Ableben Wojtylas
stark mit Ratzinger zu tun, qua einer gerade im Eichborn-Verlag
neu veröffentlichten Ranking-Liste von deutschen Meinungsbildnern;
welche mich einerseits leider auf Platz 174 zurückfallen
sah, Ratzinger aber nach Internet-Nennungen noch 12 Plätze
hinter mir auf Rang 186 (vorne übrigens: Grass, Harald
Schmidt, Habermas), was alles ich noch am gleichen Tag bei
einer Kultursoiree in Regensburg erzählte. Was wiederum
die Regensburger zu heiterstem Beifall veranlasste; allzu
kardinals- und jetzt papstfromm sind die Oberpfälzer
von der Domstadt an der Donau, in der Ratzinger einst erste
theologieprofessorale Schritte tat, ganz offenbar nicht.
Wir sind Papst! krähte Bild wie
gewohnt besinnungsarm frenetisch am Tag nach der Papstwahl
auf für mich prima vista doch etwas bedrückend.
Denn mit Gewissheit ist ja jetzt der Ratzinger rankingsmäßig
schleunigst an mir vorbeigerauscht, findet sich bestimmt schon
auf Platz 15, und insofern müsste mich sein Pontifikat
naturgemäß betrüben. Zumal mir nun noch ein
weiterer Vorzug verschüttet geht. Noch vor ein paar Wochen,
zu Beginn von Wojtylas Krankheit, weilte die damalige Nummer
zwei in meiner Heimat- und zeitweiligen Wohnstadt Amberg (Oberpfalz),
um ebendort zusammen mit seinem Bruder Georg, dem Ex-Domspatzenchef,
und einem alten Freund, dem Stadtpfarrer Meiler, in der Brauereigaststätte
Bruckmüller zusammenzuhocken und gemütlich-geistlich
Weizenbier zu trinken, wie man vernahm. Luftlinie etwa 80
Meter von meiner Heimstatt entfernt, trank er Weizenbier,
wie jeder andere anständige Mensch (Gerhard
Polt) in Bayern auch.
Und das aber so sehr mir Ratzingers Besuche und Heimsuchungen
in Amberg nun im Angesicht des neuen Papsttums schmerzlichst
fehlen werden, denn das neue Amt in Rom wird derlei kaum mehr
erlauben das tröstet mich doch auch wieder stark.
Denn so konservativ, vielleicht theologisch reaktionär
der Neue auch sein mag: Wer so knapp vor seinem Pontifikat
im Bruckmüller Weizenbier trinkt, der ach was,
Ökumene hin und Traditionalismus her, kann als
Papst ja kein ganz Schlechter sein!
Eckhard Henscheid lebt als Schriftsteller und Humorist in
Amberg und Frankfurt am Main. Die Gesamtausgabe seiner Werke
erscheint im Verlag Zweitausendundeins
Tagesspiegel, 21.04.2005
Das Buch ist erhältlich
über jede Buchhandlung sowie über Eichborn
oder über Amazon.de
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