Hilfreicher Kompass in der Debattenkultur
Von Thomas Ludwig
An Gelegenheiten, sich in der Öffentlichkeit zu äußern, mangelt es in der heutigen Medienlandschaft nicht: In Talkshows erhitzen sich die immer gleichen Gemüter, Experten in den Nachrichten und Politmagazinen grüßen wir wie alte Bekannte. Und wer im Fernsehen kein Abo auf Dauerpräsenz hat, schreibt mindestens eine Kolumne im Blätterwald der Zeitungen und Zeitschriften. Die Meinungsmacher oder die, die sich dafür halten sind omnipräsent. Wer hat hier zu Lande aber wirklich was zu sagen? Und lassen sich bedeutende Denker von den Ludern im intellektuellen Boxenstopp unterscheiden?
Der Journalist und Wirtschaftswissenschaftler Max A. Höfer versucht sich in seinem Buch „Meinungsführer, Denker, Visionäre“ an einer Antwort. Sein nüchternes Fazit: „Die öffentlichen Debatten über Leben und Tod, Gut und Böse, Arm und Reich werden in unserer export- und wissensabhängigen Gesellschaft nur sehr eingeschränkt mit jenen geführt, die dazu die fachliche Kompetenz haben.“ Vor allem Literaten, Kulturschaffende und Geisteswissenschaftler in der Regel „silberhaarige Alphatiere“ beherrschen die Diskurse unangefochtener denn je. Demgegenüber seien Naturwissenschaftler und Ökonomen ebenso unterrepräsentiert wie Vertreter der jüngeren Generation und Frauen.
Der Autor, der ein „Top-Denker-Ranking“ aufstellt, stützt sich einerseits auf die quantitative Auswertung von Zeitungen, Zeitschriften und Internetseiten der Fernsehsender die elektronischen Archive und Suchmaschinen machen es möglich. Weil allein die Tatsache, wer wie häufig genannt wird, aber noch nichts über die Qualität von öffentlichen Äußerungen aussagt, trifft Höfer andererseits und richtigerweise eine Auswahl, die sich daran orientiert, wer „eine wichtige öffentliche Debatte durch eigene Erkenntnisse ausgelöst oder zumindest mitbestimmt“ hat.
Über diejenigen, die es in dem Ranking ganz nach oben geschafft haben, erfährt der Leser dann mehr. Das Buch versammelt 60 Porträts einflussreicher Köpfe, angefangen von Nobelpreisträger Günter Grass über den Theologen Hans Küng und den Dirigenten Daniel Barenboim bis hin zu den Politikern Wolfgang Schäuble, Oskar Lafontaine und dem Biochemiker Ernst-Ludwig Winnacker. Nach den Lektüre weiß der Leser, wer mit wem worüber gestritten hat und welche Bedeutung dieser Streit für die Gesellschaft hatte.
Das Buch will ein „Kompass in der Debattenkultur“ sein. Dem Anspruch wird es gerecht. Höfer hat ein lesenswertes Nachschlagewerk verfasst, das beim Zappen zwischen diversen Quasselrunden im Fernsehen TV-Zeitschrift und Fernbedienung sinnvoll ergänzt. |