Chemnitzer Freie Presse/ 20.3.2005

Leipzig raunt

Die Wirkung der Wortführer
Ab heute lässt man in Leipzig das uralte Buchgut hochleben, fachsimpelt an den Ständen über die Branche, gibt sich in Lesungen heiter bis bedeutungsschwanger und fühlt sich ein wenig als geistiger Nabel der Welt. Noch mehr vielleicht am Stand von Eichborn, wo zur Messe „Meinungsführer, Denker und Visionäre“ erscheint. Max A. Höfer, ein Wirtschaftswissenschaftler, hat für sein 367-Seiten-Werk mit Suchmaschinen das Internet durchforstet und sich dabei gefragt: Wer prägt den Zeitgeist, hat den größten Einfluss in den Debatten? Wer wird am häufigsten zitiert?
Und da jubelt der Bücherfreund und es geht ein Raunen über die Messe: 41 Literaten und Publizisten tummeln sich in den Top 100 des Höferschen Rankings. Günter Grass führt gar die Liste an, und Martin Walser nimmt als Nummer 3 Harald Schmidt ins Autorensandwich. Auch sonst sind fast nur Kulturschaffende zu finden – die Wirtschaft, die Politik, sie sind beinahe verstummt.
So gestärkt steigt der Bücherfreund wieder in Bahn oder Taxi, kauft noch für den Abend ein, wagt dabei noch ein Schwätzchen, grübelt schon ein wenig, schaltet daheim den Fernseher an – und grübelt noch mehr. Weshalb wird er nur das Gefühl nicht los, dass überall Nicht-Literaten das Wort führen?

Von Daniel Gräfe
© Copyright Chemnitzer Verlag und Druck GmbH & Co. KG
20.3.2005



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